Investiert endlich in Eure Führungskräfte!
“People Quit Bosses Not Companies”
Ein Zitat, welches gegenwärtig ziemlich überstrapaziert wird. Es soll die Begründung liefern, warum Fachkräfte am häufigsten kündigen, nämlich wegen der direkten Vorgesetzten. Doch ist das wirklich so eindimensional? Sind wirklich NUR die Führungskräfte der mittleren Managementebene daran Schuld, dass immer öfter und immer schneller besonders die hoch qualifizierten, engagierten Fachkräfte kündigen?
Zunächst noch mal kurz den Common Sense zusammen gefasst, was gegenwärtig in der Arbeitswelt passiert.
Allem voran der demografische Wandel, sowie Globalisierung und technologischer Fortschritt führen – besonders in westlichen Industrienationen – zu:
- Einem nie dagewesenen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften,
- neuen Möglichkeiten des Arbeitens,
- einer Verschiebung gesellschaftlicher und persönlicher Wertesysteme.
Was sich hier harmlos liest, ist nicht weniger als einer der wichtigsten Paradigmenwechsel des digitalen Zeitalters und mit ihm einer der gravierendsten gesellschaftlichen Umbrüche.
Der Mensch muss sich nicht mehr an Unternehmen und deren Arbeitsbedingungen anpassen, sondern umgekehrt. Die Arbeitswelt und damit auch die Unternehmenskultur wird drastisch auf den Kopf gestellt!
In einer zunehmend disruptiven Welt müssen wir alle uns zudem stetig neu orientieren und an Umweltbedingungen anpassen, die wenig vorhersehbar sind. Soll heißen:
Arbeitnehmer*innen können sich den Stillstand der eigenen Entwicklung schlicht nicht mehr erlauben und müssen in der Wertschöpfungskette in hohem Maße eigenverantwortlich und umsichtig agieren.
Sich in der Arbeitswelt klein halten zu lassen, sinnbefreite ABM zu tolerieren, Rückständigkeit stoisch zu ertragen, durch permanent zu hohen Workload oder toxische Vorgesetzte die eigene Gesundheit zu riskieren – das ist gegenwärtig nicht mehr notwendig, weil es eben genügend bessere Optionen gibt.
Welches Führungsverhalten von Fachkräften konkret kritisiert wird
Spätestens dann, wenn in einzelnen Abteilungen auffällig häufig Mitarbeitende das Unternehmen verlassen, wird es höchste Zeit, sich als Erstes das Verhalten der verantwortlichen Führungskraft genauer anzusehen.
Folgende Verhaltensweisen direkter Vorgesetzte werden von qualifizierten Fachkräften am häufigsten kritisiert:
- Mikromanagement und übermäßige Kontrolle
- sucht aktiv nach Fehlern (z.B. zwecks Handhabe von Sanktionen)
- blockiert die Weiterentwicklung von Mitarbeitenden
- blockiert Innovationen – allen voran die Digitalisierung – und sabotiert damit überlebenswichtige Unternehmensziele
- hält an ineffizienten, rückständigen, fehleranfälligen Arbeitsprozessen fest (etwa, um das Volumen der eigenen Personalverantwortung künstlich hochzuhalten)
- kreiert hohen Workload und unnötige Überstunden
- keine Wertschätzung
- mangelndes Vertrauen in Talente und Arbeitsleistung
- ignoriert Ideen und Bedürfnisse der Mitarbeitenden
- involviert nicht in Entscheidungsprozesse
- intransparente, widersprüchliche Kommunikation
- Verschlossenheit, Respektlosigkeit
Warum machen gerade deutsche Führungskräfte soviel falsch?
Besonders im internationalen Vergleich schneiden deutsche Führungskräfte in ihrer Performance besonders schlecht ab.
Dieses Resultat ist deckungsgleich z.B. mit den Ergebnissen des »Gallup Engagement Index« – einer Langzeitstudie, die seit 2001 jährlich erhoben wird. Demgemäß waren im Jahr 2022 nur ein Viertel der deutschen Arbeitnehmenden mit ihrer direkten Führungskraft zufrieden.
Ferner machen laut Gallup 69 Prozent der Mitarbeitenden nur noch Dienst nach Vorschrift. Das heißt übersetzt soviel, dass sich der überwiegende Teil der im Unternehmen verbleibenden Belegschaft zumindest innerlich verabschiedet hat, folglich auch nicht mehr gewillt ist, großartig zum Erfolg ihres Unternehmens beizutragen.
Die wirtschaftlichen Konsequenzen, die sich aus dieser Schieflage im mittleren Führungssegment ergeben, sind dramatisch. So kalkuliert Gallup den wirtschaftlichen Schaden durch hohe Krankheitsquoten, Fluktuation und Qualitätsmängel mit bis zu 103 Milliarden Euro allein für das Jahr 2018.
Sie wissen es nicht besser!
Der Fairness halber sollte berücksichtigt werden, welche vielfältigen und anspruchsvollen Aufgaben von Führungskräften mit direkter Personalverantwortung zu meistern sind.
Oft durch eine Beförderung in die Führungsrolle regelrecht hineingerutscht – ohne Assessment, ohne Ausbildung und ohne professionelle Begleitung – wurschteln gerade in deutschen Unternehmen viele Führungskräfte irgendwie vor sich hin. Dieser Mehrfachbelastung ohne profunde Vorbereitung und Begleitung standzuhalten und dabei stets sein Team im Blick zu behalten, ist schlicht nicht darstellbar.
Führungskraft musst Du erst werden, bevor Du es bist!
Und dieser Prozess des Werdens ist langwierig und manchmal auch schmerzhaft. Die Notwendigkeit, Führungskräfte – besonders diejenigen mit direkter Personalverantwortung – auf ihre Rolle vorzubereiten und sie im Werdeprozess kontinuierlich professionell zu begleiten, wird gerade in deutschen Unternehmen immer noch eklatant vernachlässigt.
So ist es auch nicht verwunderlich, dass deutsche Unternehmen bezüglich Führungskräfteentwicklung im internationalen Vergleich vor Frankreich den vorletzten Platz belegen, während die USA und Kanada an erster Stelle stehen.
Fakt ist auch: „Deutsche Unternehmen investieren zu wenig in Wissenskapital“ … also Software, Datenbanken und Kompetenzen der Mitarbeitenden … „und nur wenige haben eine innovationsfreundliche Unternehmenskultur … dies gilt vor allem für den Dienstleistungssektor“ (Führungskräfteradar der Bertelsmannstiftung, April 2020)
Zwar hat spätestens die Pandemie manche deutsche Unternehmen zwangsläufig dazu bewegt, in ihr Wissenskapital zu investieren.
Die Parallelwelt im Unternehmen
Doch gibt es immer noch Abteilungen mit vermeintlich geringer wirtschaftlicher Relevanz, in denen die Führungskräfte – scheinbar im letzten Jahrhundert falsch abgebogen – die meiste Zeit damit verbringen, ihr eigenes Überleben zu sichern. In direktivem Führungsstil verwalten sie Abteilungen, die technologisch teils Jahrzehnte (!) hinter internationalem Standard zurückliegen. Hier bilden sich gerne regelrechte Parallelwelten, die sich irgendwann der unternehmerischen Kontrolle entziehen!
Ein Führungsverhalten jenseits von gutem Stil und aktuellen Standards, veraltete Software und damit ineffiziente, stupide Arbeitsprozesse zermürben Mitarbeitende, bis sie schließlich die Flucht ergreifen.
Denn es ist gerade für Fachkräfte persönlich unverantwortlich, solche Missstände auszusitzen und in der Konsequenz den beruflichen Anschluss zu verlieren.
Dieser Beitrag ist keineswegs als Führungskräfte-Bashing zu verstehen, sondern eher als Appell an die Geschäftsleitung und HR-Verantwortlichen deutscher Unternehmen.
Mein Appell an die Geschäftsleitung deutscher Unternehmen
- Investiert mehr in Eure personalverantwortlichen Führungskräfte und Mitarbeitenden, in Wissens- und Talentmanagement und damit einhergehend in eine technologisch fortschrittliche Ausstattung.
- Behaltet im Gegenzug die Performance Eurer Führungskräfte und die Fluktuation innerhalb der Organisationseinheiten im Blick.
- Geht regelmäßig mit Eurer Belegschaft in den Dialog. Nehmt deren Kritik ernst und behandelt sie vertrauensvoll.
Führungskräfte müssen substanziell befähigt und in ihrer Rolle gestärkt werden, denn ihre Kernaufgaben werden zunehmend sein:
- Vertrauen und Stabilität zu schaffen
- Potenziale zu erkennen und Talente zu managen
- Innovationen und Veränderungen mitzutragen
Ich selbst blicke zurück auf 15 Jahre solide Führungserfahrung mit Personalverantwortung in einem internationalen Konzern mit über Hunderttausend Angestellten.
Das Assessment war hart, die Ausbildung lang, die Trainings kontinuierlich und auf hohem Standard.
Besonders im Rückblick bin ich stolz und dankbar zugleich, dass ich diese Entwicklung auf solch wertschätzende Art erleben durfte.
Umso mehr weiß ich deshalb, wie essenziell wichtig Talentmanagement und Führungskräfteentwicklung sind. Führungskräfte mit Personalverantwortung nehmen in Unternehmen eine wichtige Schlüsselposition ein. Sie müssen dafür gezielt ausgewählt, befähigt und in ihrer Performance begleitet werden.
Es ist die gegenwärtig wichtigste Investition in die unternehmerische Zukunft!
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Bildnachweis: Grafik erstellt mit Canva von Patrizia Blaha
Ich bin Patrizia Blaha aus Düsseldorf.
Spezialisiert bin ich auf Führungskräfte-Entwicklung und Veränderungsprozesse.
Der Blog auf meiner Webseite soll Dich inspirieren und gibt Dir einen Einblick in zehn Jahre Coaching-Arbeit und 15 Jahre Erfahrung als Führungskraft.
Lebensnah gebe ich Dir Tipps rund um die Themen Leadership, Persönlichkeit, Beziehungen und Erfolg – eben das, was uns Menschen oft beschäftigt und antreibt.
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